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Klaus Gottheiner: Von Aalen und Amygdalen (Unijournal 4 / 2003)

Wie nutzt man sinnvoll ein historisches Mammut-Nachschlagewerk der Naturwissenschaften und Technologie, erschienen über einen Zeitraum von 85 Jahren? Diese Frage stellen sich Leserinnen und Leser seit 1858, dem Publikationsjahr des 242. und letzten Bandes der Krünitzschen Oeconomischen Encyclopädie, eines der größten Lexikon-Unternehmen in deutscher Sprache. Seit dem 9. April 2003 heißt die Antwort: online. Denn an diesem Tag ließen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Trierer DFG-Projekts "Krünitz-Digitalisierung" den ersten Band seiner Netzversion vom Stapel, und das einst wurmförmige Ungetüm (nicht umsonst steht am Beginn das Stichwort "Aal") entpuppte sich als schmetterlingsleicht in der Navigation und ausgesprochen ergiebig in der Nutzung.

Bis dahin hatte das "Krünitz-Projekt" der UB Trier (wir berichteten in Unijournal 04/2001) einen weiten Weg zurückzulegen. "Uns geht es nicht um die reine Digitalisierung, sondern darum, das Werk erstmals wirklich benutzbar zu machen", betont Dr. Hagen Reinstein, zusammen mit Dr. Hans-Ulrich Seifert von der Abteilung Digitale Medien der Bibliothek entscheidend an der Durchführung des Projekts beteiligt. In der Tat: Wo ein explosionsartig expandierender Wissensstoff mit dem Fortschreiten durch die Buchstaben des Alphabets unter immer entlegeneren Eintragungen Unterschlupf gefunden hat, die Artikel oft Informationen zu den heterogensten Gegenständen enthalten, ein Verweissystem nur in rudimentärer Form existiert und ein Halo kryptischer Zitatnachweise das wissenschaftliche Umfeld der Zeit mehr erahnen als erkennen läßt, schreit ein Werk förmlich nach elektronischen Erschließungsverfahren, die den großen informatorischen Impetus seines Begründers erst wirklich zu sich selbst kommen lassen.

Die Textdigitalisierung durch manuelle Erfassung (in Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum "Elektronische Erschließungsverfahren" an der Universität und inzwischen für rund drei Viertel der Bände weitgehend abgeschlossen) ermöglicht dies in einem ersten Schritt durch das Verfahren der Volltextsuche. Wirklich umfassend nutzbar gemacht wird das Werk allerdings durch zusätzliche, unter vergleichbaren Projekten bislang z.T. einzigartige Erschließungsarbeiten, nämlich 1. durch die Vernetzung der einzelnen Artikel und Unterabschnitte mit Hilfe der Dewey-Dezimalklassifikation (DDC), der klassischen "Sitemap" der Wissensgegenstände, die den Stoff aus der Zwangsjacke des Alphabets befreit und das gesamte inhaltliche Umfeld eines Begriffs bis in seine hierarchischen Verästelungen hinein recherchierbar macht; 2. durch die Verifizierung und wissenschaftliche Nutzbarmachung der Literaturangaben und schließlich 3. durch die Erfassung und Erschließung des ungemein reichen Abbildungsmaterials.

Das Ergebnis dieser Arbeiten ist nun auch der Öffentlichkeit zugänglich, und Nutzerinnen und Nutzer der Krünitz-Seite (http://www.kruenitz.uni-trier.de) dürfen fürs erste das Netz der Recherchemöglichkeiten über allem auswerfen, was zwischen "Aal" und "Amygdalus", dem Mandelbaum, kreucht, fleucht oder einfach nur existiert (nebst allem, wozu man es nutzen kann - daß das Kochen, Backen, Sieden und Braten zu den Krünitzschen Obsessionen gehört, sei hier nur am Rande erwähnt). Aber auch auf die "Ananas" muß nicht mehr lange gewartet werden: Die nächsten Bände sollen, bei weit fortgeschrittenen Vorarbeiten, in rascher Folge ins WWW gestellt werden.