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Spaß Klassifizierung: 306.48 Freizeit und Erholung und darstellende KünsteDDC-Icon Klassifizierung: 152.4 EmotionenDDC-Icon , ein nur im gemeinen Leben, und in der vertraulichen Sprechart übliches Wort, einen jeden Scherz zu bezeichnen, und in so fern ist dieses Wort auch mit Posse, s. Pfeil-Icondieses, Th. 115, Pfeil-IconS. 657, verwandt, nur daß Spaß sich mehr auf einen vertrauten Kreis beschränkt, mehr in engen Zirkeln sein Wesen treibt, und Posse mehr dem öffentlichen Leben angehört. So spaßt man, oder treibt Spaß mit vertrauten Freunden, in traulichen Zirkeln, wo man sich gegenseitig kennt; daher die Redensarten: Es war nur mein Spaß; Er hat es nur zum Spaß oder im Spaße gesagt. Das wird einen hübschen Spaß geben. Spaß machen, treiben. Der Spaß ist ihm gelungen, wo aber hier doch lieber Scherz stehen muß, welches Wort eine ausgedehntere Bedeutung hat, und schon aus den Schranken eines engen Wesens tritt.

Spaßen Klassifizierung: 430 Germanische Sprachen; DeutschDDC-Icon , ein regelmäßiges Zeitwort der Mittelgattung, <156, 489> scherzen, welches jedoch nur in der vertraulichen Sprechart üblich ist. Ich habe nur gespaßt. Mit Jemandem spaßen etc.; und desgleichen auch das Spaßen.

Spaßhaft Klassifizierung: 430 Germanische Sprachen; DeutschDDC-Icon , Bei= und Nebenwort, im gemeinen Leben und in der vertraulichen Sprechart. Ein spaßhafter Mensch. Spaßhaft seyn. Ein spaßhafter Einfall. Im südlichen Deutschland gebraucht man dafür auch das Wort spaßig.

Spaßhaftigkeit Klassifizierung: 430 Germanische Sprachen; DeutschDDC-Icon , die Eigenschaft einer Person spaßhaft zu seyn, jedoch nur in der vertraulichen Sprechart.

Spaßmacher Klassifizierung: 791 Öffentliche DarbietungenDDC-Icon Klassifizierung: 647 GroßhaushaltsführungDDC-Icon , Lustigmacher, Possenreißer, Possenmacher, Spaßmeister, Schalknarr, s. Th. 82, Pfeil-IconS. 14; Th. 115, Pfeil-IconS. 658; und dann die Art. Pfeil-IconHofnarr, Th. 24, Pfeil-IconS. 208 u. f., und Pfeil-IconNarr, Th. 101, Pfeil-IconS. 267. Hier noch Einiges zur Ergänzung jener Artikel. Wie alt die Mode ist, an Fürstenhöfen Spaßmacher, Lustigmacher oder Possenreißer zu halten, kann nicht mit Gewißheit oder Bestimmtheit angeführt werden, indessen ist so viel gewiß, daß sie hoch hinaufreicht, und daß sie vielleicht aus dem Morgenlande zu uns gekommen ist; denn an dem glänzenden Hofe des Griechischen Kaiserreiches zu Konstantinopel findet man sie schon zu den Zeiten der Kreuzzüge, und daher ist es auch nicht unwahrscheinlich, daß diejenigen Fürsten, welche den Kreuzzügen beigewohnet, bei der Rückkehr in ihre Staaten auch diese Mode, Sitte, bei sich eingeführt haben, so wie man späterhin in Deutschland Heiducken, Kammerhusaren, Schweizer, Türken, Mohren, Läufer etc. an Fürstenhöfen, um den Glanz zu vermehren, hielt. Diejenigen, welche die Pracht und den Glanz, den Luxus an den morgenländischen Fürstenhöfen nicht als Veranlassung zur Entstehung der Hofnarren wollen gelten lassen, gehen noch höher hinauf, und suchen sie in dem Aberglauben der Morgenländer, die verrückte Men<156, 490>schen für Heilige oder Inspirirte hielten, weil ihre Reden, ihre Inspirationen oder mystischen Träume für andere vernünftige Menschen unverständlich sind. Allein diese Erklärung der Entstehung der Hofnarren ist ganz falsch; denn dergleichen Inspirirte kommen wohl nicht an Fürstenhöfen vor, und würden auch eine sehr schlechte Rolle gespielt, und statt zu ergötzen, nur gelangweilt haben. Man hat vielleicht geglaubt, weil man früher an den Höfen, unter dem übrigen Hofgesinde oder Hofpersonale, auch Zwerge, Stumme, Blödsinnige etc. antrifft, man auch diese Klasse von Menschen daselbst antreffen müsse; allein Erstere hat nur das Mitleiden an die Höfe gebracht; denn da man in jener Zeit noch keine öffentlichen Anstalten zur Versorgung dergleichen Leute hatte, so nahm man sie an den Höfen auf, um das Hofpersonal zu vergrößern, und gab ihnen Unterhalt. Da sich nun unter den Zwergen und Blödsinnigen Individuen fanden, welche von ungefähr einen Witz rissen, oder eine passende Rede, welche Gelächter unter den Hofleuten verursachte, hielten, so wurde zuletzt der Gegenstand des Mitleids, ein Gegenstand der Belustigung. Man zeichnete ein solches Individuum durch seltsame Kleidung aus, theils um ihn durch den Anblick, als der Lachlust günstig, schon zu charakterisiren, theils wohl auch um ihn dadurch gegen die Beleidigungen anderer Menschen zu sichern oder zu schützen; auch ertheilte man ihm wohl Vorzüge mancherlei Art, worunter vorzüglich gehörte: an der Tafel seines Herrn zu speisen, und diesen durch seine lustigen Einfälle zu ergötzen. Dieses, wie es schien, köstliche Leben, merkten sich bald nicht blödsinnige Müßiggänger, und spielten den Wahnsinnigen, um ohne Arbeit bei den Großen Unterhalt zu finden; sie spielten aber mit gesundem Verstande den Narren, und so scheinen auch wohl nach und nach die Spaßmacher, Lustigmacher, Hofnarren entstanden zu <156, 491> seyn. Ein Schriftsteller sagt: „Die Macht und das Ansehen der Großen, und die Dürftigkeit derer, welche natürliche Gaben zur Belustigung, zum Spott und zum Scherze besaßen, und solche auf Kosten der Vernunft feil boten, verstärkten die Bewegungsgründe zu dergleichen Usurpationen der Menschheit; so strenge indessen nach dieser Erklärung jene Gewohnheit zu seyn scheint, so wird sie auf der entgegengesetzten Seite milder, wenn man annimmt, daß nach der Erfahrung unter der angenommenen Narrheit sich auch anwendbarer Witz versteckte, der bei schicklicher Anwendung oft mehr wirken kann, als ernste Philosophie und Moral, besonders bei solchen Personen, die den Gesetzen derselben nicht untergeben zu seyn wähnen. Mancher Hofnarr sagte oft ungeahndet etwas, was der klügste Mann sich hervorzubringen nie erdreistet haben würde.” -- Der Zulauf zu diesem Nahrungsstande, und der Geschmack der Großen und Reichen in damaliger Zeit an dieser Belustigungsart war so groß, daß zuletzt nicht nur jeder Edelmann seinen eigenen Narren hielt, sondern die Narrheit als einen Titel ohne Gehalt an diejenigen austheilte, die sich um diese Gnade meldeten. Diese Titular=Hofnarren hielten sich dadurch legitimirt, dem Publikum ohne Verlangen mit ihren Schwänken beschwerlich zu fallen und es gleichsam in Contribution zu setzen. Die Sache ging so weit, daß sich die gesetzgebende Gewalt ins Mittel schlagen mußte, wovon die Reichsabschiede von 1497, 1498, 1500, 1530, 1548 und 1577 zeugen. Aus dem Letztern verdient die hierher gehörige Stelle ausgezeichnet zu werden. „Item, heißt es darin, von derenwegen, so sich Narrheit annehmen wollen, ordnen wir, wo jemands dieselbe halten will, daß er sie halte, daß sie andere unbelästiget lassen. Es soll auch niemands einigen Mann oder Frauen (man hatte auch Hofnärrinnen) der oder die nicht in sein Brod gehörig, weder Schild, Wap<156, 492>pen, Ring oder dergleichen anhenken und geben, und welche jetzt, Schild, Wappen, Ring oder dergleichen haben, die ihnen ihre gebrödte Herren mitgegeben hätten, die sollen sie bei Verlierung derselben abthun, und nit tragen, damit die alte Gewohnheit der neuen Ordnung keine Irrung mache. Aber andere Schalksnarren, so Churfürsten und Fürsten mit Diensten mit Vorwandt, und wider obgemeldete Ordnung im Reiche erfunden, sollen nit gelitten, sondern durch eine jede Obrigkeit, wo die betretten, gestraft werden.” -- Hierdurch wurden also die Titularnarren zwar abgeschafft, allein Churfürsten und Fürsten wurden ihre Narren gelassen, und an den Höfen, wo man sich ihrer nicht mehr als Liebhaberey bediente, gehörten sie zur Pracht. So begleiteten den Kaiser Ferdinand den Zweiten der Narr Jodel und der Kammerzwerg Stäffel im Jahre 1622 auf den Reichstag, und der sonst ernsthafte Kaiser Leopold unterhielt deren drei, welche den Namen Kammerlappen führten, und einen eigenen Hofmeister hatten. Bei feierlichen Gelegenheiten und Aufzügen, als bei großen Scheibenschießen, Einholungen fürstlicher Bräute und großer Herren, wurden Narrheitsfiguranten angenommen, und bei einer feierlichen, geistlichen Prozession, welche zu Brüssel den Sonntag nach dem 13ten July jährlich gehalten wurde, hat man dergleichen Staats=Schalksnarren in den seltsamsten ihrer Funktion oder Amtsverrichtung zukommenden Prunkkleidungen mit herumgehen sehen. Die geistlichen Höfe hatten daher eben so gut ihre Narren, als die weltlichen. Der Narr vom Churmainzischen Hofe führte den Titel eines Hofschnackenmachers (Hofgecken). Am Preußischen Hofe, oder vielmehr am Berliner Hofe, hatte man bis zu den Zeiten Friedrichs des Großen gleichfalls Hofnarren, zu welchen der in damaliger Zeit sehr bekannte Putzmann, Jäkel, Faßmann, Ferrand <156, 493> und Gundling gehören, Letzterer jedoch mit Unrecht, weil er nie die Absicht gehabt, Hofnarr zu werden, sondern nur durch den Trunk dazu herabsank, und sich durch so manche Scenen, die Begleiter des Trunkes sind, dem Gelächter Preis gegeben, und wo er selbst dieses nicht that, da deckten Andere seine Blößen auf, und machten ihn erst zum Narren. Friedrich Wilhelm der Erste wollte diesem Manne sehr wohl, welches auch die verschiedenen Würden beweisen, die er ihm ertheilte; indem er ihn nach und nach zum Hof=, Kammer=, Kriegs=, Geheimen= Oberappellations= und Kammergerichtsrath; dann zum Präsidenten der Königlichen Akademie oder Societät der Wissenschaften, und in den Freiherrnstand erhob; auch ihn zu seinem Ober=Ceremonienmeister machte. Bei den zuerst angeführten Behörden mit Sitz und Stimme; auch ererhielt er diese beim General=Directorium, welches das erste Landescollegium war, dessen Ehrwürdigkeit der Monarch selbst, als Stifter, jederzeit ausgezeichnet anerkannte; dann erhob er ihn auch zum Kammerherrn. Dieses streitet daher ganz gegen die Meinung, die man hin und wieder, selbst in guten Schriften angeführt findet, als habe Friedrich Wilhelm der Erste die Wissenschaften und Künste gar nicht geliebt, und sie durch die Besetzung mit einem solchen Subjecte noch mehr der Verachtung Preis geben wollen. Dieser Monarch war zwar ein rauher Krieger, der das Militair besonders begünstigte, und es zu einem hohen Grade der Vollkommenheit im Manövriren etc. brachte, welches sein Nachfolger weise genutzt hat; allein er schützte auch die Wissenschaften und hat davon Beweise genug gegeben, nur haßte er die Pedanterey der Gelehrten, und hielt nicht viel von bloßen Theorien; wo er aber ein Talent fand, welches Ausbeute versprach, da suchte er es zu befördern, welches ein Töpfer, Namens Eckert aus Dessau bewies, der erst das Töp<156, 494>ferhandwerk, oder besser die Töpferkunst erlernte; dann zufällig bei einem Professer in Halle Collegia über die Kameral=Wissenschaften hörte, dann wieder gezwungen ward, zu seiner Töpferkunst zurückzukehren, und der zufällig durch den Fürsten Leopold von Dessau, mit dem Beinamen der alte Dessauer, diesem Monarchen empfohlen wurde, um ihm einen guten Kamin zu bauen. Hiersah ihn nun der Monarch arbeiten, unterhielt sich mit ihm, und war verwundert über die Kenntnisse im Kameralfache, die Eckert dem Monarchen bei einer gewissen Gelegenheit entwickelte. Der König ernannte ihn zum Hofrath, und späterhin zum Geheimen Rath, weil er dessen Vertrauen in den Angelegenheiten, wozu er angestellt war, rechtfertigte. Die Staatsverwaltung Friedrich Wilhelms d. Ersten, bewies auch, daß Niemand über seinen Staatshaushalt zu klagen nöthig hatte; denn wenn er gleich strenge war (man berücksichtige die Zeit und vergleiche dann andere Staaten mit Preußen), so beglückte er doch, wo er nur konnte, seine Unterthanen, nahm 18,000 vertriebene Salzburger in sein Land auf, und verwendete auf Kolonisten in Zeit von 10 Jahren 5 Millionen Thlr.; legte Armen=, Waisen=, Fabrik=, und Manufaktur=Gebäude, ja ganze Dorfschaften an, kurz war der Wohlthäter seines Volkes, und hinterließ bei einem Heere von 70,000 Mann, noch 9 Millionen Thaler in dem Schatze. Dieses sey genug um hier zu beweisen, daß dieser Monarch kein Verächter der Wissenschaften war; er sah nur auf den praktischen Nutzen, den sie gewährten; nur auf die Resultate, die daraus hervorgingen; daher hatten nur die Grundwissenschaften bei ihm werth. Er hatte also nie die Absicht, Gundlingen mit seinem Wissen, mit seiner Gelehrsamkeit lächerlich zu machen, sondern nur Einige aus den Umgebungen des Monarchen suchten die Schwächen dieses Mannes auf, um sich bei einer der nächsten Gelegenheiten an ihm zu reiben, seine Blößen der Welt aufzudecken, und ihn der Ver<156, 495>achtung bloß zu stellen, ohne Rücksicht auf ihre eigenen Schwächen und Bloßen zu nehmen, die sie dann mit der sogenannten Weltmanier, mit dem Savoir vivro bedeckten, welches freilich den meisten Gelehrten damaliger Zeit ganz fremd war, die in der Pedanterey zu weit gingen; und wenn Scenen vorfielen, in welchen sie sich mit gebalter Faust entgegen traten, sich herumschlugen, zur Erde warfen und gleich den Kanibalen in die Backen und Finger bissen, wie dieses mit Gundlingen u. einem Profess. Hakemann, der als Königlicher Bibliothekar in Berlin angestellt war, und mit mehrern Andern sich zugetragen, so konnte dieses freilich kein vortheilhaftes Licht auf sie werfen, wozu nun noch die gröbsten und gemeinsten Schimpfreden und andere Beleidigungen in Schriften kamen. Auch herrschte zu jener Zeit wirklich der Wahn, daß der Stand der Gelehrten ganz überflüssig sey, und die Wissenschaften nur den Leuten die Köpfe verdrehe, zu Charlatanerien und Albernheiten, die der Mensch entbehre könne und müsse, führten; auch wohl gar staatsgefährliche Grundsätze enthielten, besonders die schönen Wissenschaften und die Philosophie; es war daher kein Wunder, daß man diejenigen, die sich mit ihnen beschäftigten, überall lächerlich zu machen suchte, u. so traf denn auch Gundling dieses Loos. Rührend ist die Aeußerung, die er zu einem vornehmen Offiziere im Vertrauen gemacht haben soll: „Ich habe mir viele Mühe gegeben um in der Welt mein Glück zu manchen, und es ist mir herzlich sauer geworden um ein Stückchen Brod zu finden. Hier habe ich es nun in Berlin gefunden, daß ich so behandelt werde, fällt auf den, der es thut; also muß ich zufrieden seyn, und mich in mein Schicksal mit Geduld finden. Man wird also hieraus gewahren, daß Gundling wohl schwerlich die Absicht hatte, und haben konnte ein bloßer Spaßmacher oder Lustigmacher zu werden; auch schien es <156, 496> ihm hierin gänzlich an Talent zu mangeln, an Witz; denn Alles, was man von ihm erzählt oder aufgezeichnet findet, sind nur gewöhnliche Späße, die man mit ihm vorgenommen, um ihn zu ärgern und in Wuth zu bringen, ihn betrunken zu machen, oder ihn in Furcht zu setzen etc. etc., wobei wohl komische oder belustigende Auftritte Statt fanden, aber keinesweges von ihm ausgehend, sondern immer nur von Andern, die sich an ihm rieben; denn man findet durchaus nichts Witziges, was er zur Belustigung hergegeben hätte, als nur die komischen Situationen, in die man ihn durch allerhand Mittel gebracht. Auch ist Vieles von ihm aufgezeichnet worden, was sich wohl nicht so zugetragen, indem Faßmann, der sein Biograph theilweise war, und der an ihm die meisten Streiche verübt, und dadurch zum Ritter geworden seyn will, wohl wenig Glauben verdient. *

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Leben und Thaten Jakob Paul Freiherrn v. Gundling, Königl. Preußischen Geheimen Kriegs= Kammer= Ober= Appellations= und Kammergerichts=Raths, wie auch Ceremonienmeisters und Präsidenten bei der Königl. Societät der Wissenschaften etc., eines höchst seltsamen und abentheuerlichen Mannes. Aus bisher unbekannte Nachrichten und seltenen gedruckten Schriften gezogen und anschaulich gemacht. Mit dem wohlgetroffenen Bildniß und Wappen des Freiherrn von Gundling, Berlin, 1795. -- Herr Adolph von Schaden hat hieraus einen Auszug unter dem Titel: Jakob Paul Freiherr v. Gundling, Hof=, Kammer=, Kriegs=, Geheim. Oberappellations=etc. Rath. Oberceremonienmeister, Präsident der Akademie der Wissenschaften, Kammerherr, Mitglied des Tabakscollegium, und lustiger Rath Friedrich Wilhelms I., Vaters Friedrich II. Eine höchst komische biographische Skizze, als Karnevalsgeschenk. Herausgegeben von A. v. S. Berlin, 1817.

Die übrigen oben genannten Personen waren Possenreißer, Lustigmacher, indem sie alles nur mögliche thaten um zu belustigen, und sich dadurch wichtig zu machen, oder den Blick und das Ohr auf ihr Talent zu lenken. -- Am damaligen Churfürstlich Sächischen und Königl. Polnischen Hofe waren der berüchtigte, von jung und alt gekannte Taschenspieler Joseph <156, 497> Fröhlich und der Freiherr von Kyan, lustige Räthe, von denen man viel zu erzählen wußte. Auch an den andern Höfen Deutschlands findet man Spaßmacher oder lustige Räthe. Von den Hofnarren in Frankreich, Spanien etc. ist schon unter Pfeil-IconHofnarr, Th. 24, die Rede gewesen; auch würde eine Biographie dieser Lustigmacher, oder doch wenigstens der vorzüglichsten, die am meisten Aufsehen wegen ihrer Schwänke in damaliger Zeit im Publikum gemacht haben, hier ganz am unrechten Orte seyn; wen dieses besonders interessirt, der findet Nachrichten darüber in Flögels Geschichte der Hofnarren, und in der Histoire des Fous entitre d' office, die sich in den 1767 zu Paris herausgekommenen: Récréations historiques, critiques et morales befindet.

Die Hofsitte Lustigmacher oder lustige Räthe zu halten, hat früher sowohl ihre Vertheidiger, als auch ihre Tadler gefunden. Erstere betrachteten sie als vortreffliche Werkzeuge unter dem Deckmantel des Scherzes den Fürsten oft manche Wahrheiten über ihre Minister und ihre eigene Regierungsweise zu sagen. Ein Schriftsteller sagt: „Es ist beinahe zu bedauern, daß diese Klasse von Leuten (die Hofnarren), welche sich sonst bei ihrer Charge recht wohl und nicht selten besser, als mancher Minister befanden, die sich ängstigten um nur den Fürsten das zu sagen, was bloß halbe Pflicht war, eingegangen ist. Wie viele Beispiele giebt es nicht, daß große Herren oft durch den närrisch scheinenden Einfall ihres lustigen Raths, der in der Funktion, worin er stand, nie ihre Hoheit herabwürdigen konnte, große und weise Handlungen ausübten, und Gerechtigkeit handhabten, wozu sie sonst Niemand bewogen haben würde.” -- Man gewahrt hieraus, daß der Zeitgeist immer dafür gesorgt hat, in allen Graden der Kultur den Regenten die Wahrheit zu predigen. In den frühesten und selbst auch noch hin und wieder <156, 498> in den spätern Zeiten, unterrichteten sich die Regenten selbst von dem Zustande ihrer Unterthanen, indem sie verkleidet mit Einigen ihrer Vertrauten ihr Land durchreiseten, und in den Städten diejenigen Oerter besuchten, wo sich das Volk zahlreich einzufinden pflegte, und seine Meinungen über manche Gebrechen des Staates, unverholen äußerte. Späterhin hielten sie sich lustige Räthe, Hofnarren, die sie unter Scherzen mit den Gebrechen des Landes bekannt machten, und deren sich auch wieder die Fürsten bedienten, um die Hofleute von ihren Thorheiten zu heilen, ohne genöthiget zu seyn, ihnen darüber Verweise persönlich zu geben; man hat daher theils durch Tradition, theils in Schriften Hofnarrenscherze aufbehalten, die man goldene Sittensprüche nennen könnte. Auch die Prediger bedienten sich damals der Kanzel, um von derselben herab den Großen bittere Wahrheiten zu sagen. In der neuern oder jüngern und jüngsten Zeit, bei der steigenden Kultur that und thut man es durch Schriften; durch Zeitungen, Journale, Flugblätter etc. etc. Was die lustigen Räthe vermochten, beweise hier ein Fall.

König Friedrich der Erste von Preußen hatte einen lustigen Rath (wahrscheinlich der zu seiner Zeit so bekannte Putzmann) der ihm ungescheut solche Wahrheiten sagen konnte, die einem Andern, der sie hätte äußern wollen, die größte Ungnade und vielleicht den Verlust der Freiheit zugezogen haben würde. Zu seiner Zeit geschah es, daß ein angesehener Minister viele Güter für sich ankaufte. Bei dem einen der Güter lag eine Mühle, die der Minister gern haben, aber der zeitige Besitzer nicht verkaufen wollte, weil sie ihm ein reichliches Auskommen gewährte. Da sich nun der Müller durch Anträge und Ueberredungen nicht bewegen lassen wollte, den Verkauf einzugehen, so brauchte der Minister Gewalt und zwang den Müller für ein geringes Kaufgeld ihm die Mühle zu überlassen, und ließ ihn darauf aus deren Besitz werfen. Der auf eine so ungerechte <156, 499> Weise aus seinem Eigenthume verdrängte Mann, reichte gegen den Minister eine Klage bei dem Gerichtshofe ein; allein sie blieb ohne Erfolg, weil die Gerechtigkeit die Macht seines Gegners, des Ministers, fürchtete. Niemand nahm sich daher seiner an. Der Müller entschloß sich endlich nach Berlin zu gehen und dem Monarchen selbst eine Bittschrift zu überreichen, worin er um Gerechtigkeit und Schutz bat. Hier ließ er sich eine Supplik aufsetzen, mit der er sich an die Hauptreppe des Schlosses stellte, um den König bei dessen Erscheinen anzureden. Lange hatte er schon gestanden, als von ungefähr der Hofnarr kam, seine traurige Gestalt betrachtete, und ihn fragte: was er hier wolle? Der Müller erwiederte, er wünsche Gelegenheit zu finden, dem Könige eine Vorstellung zu überreichen, wobei er dem lustigen Rath sogleich sein Schicksal erzählte. Der Hofnarr verlangte die Bittschrift zu sehen, und nachdem sie ihm der Müller eingehändiget hatte, zerriß sie der Erstere mit höhnischem Gelächter. Der arme Supplikant glaubend auch hier keine Hülfe zu finden, fing an zu weinen und seinen Zustand zu beklagen; dieses rührte den Hofnarren, der ihn also anredete: Warum weinst Du? Glaubst Du, daß es Deinen Papieren anders ergangen wäre, wenn Du sie gleich dem Könige übergeben hättest? -- Sei ruhig und laß Dir rathen, was Du thun sollst, und was Dir am besten nützt. Laß Dir eine neue Vorstellung aufsetzen, und komme Morgen damit wieder hierher; dann will ich Dir zu helfen suchen. Der Müller that, wie ihm gesagt worden, brachte zu der ihm bestimmten Zeit eine andere Vorstellung, der Hofnarr nahm sie ihm ab, rieth dem Müller nach Hause zu gehen, und ruhig die Sache abzuwarten, indem er hoffe, daß er bald wieder in den Besitz seiner Mühle kommen werde. Bei der nächsten feierlichen Tafel, die der König hielt, und bei der sich sämmtliche Minister und hohe Staatsbediente anwesend befanden, sagte der lustige Rath wider seine Gewohnheit nichts, und war sehr ernsthaft. Dem Könige fiel dieses auf, und er fragte ihn: wie es käme, daß er so niedergeschlagen zu seyn scheine? Ich bin be<156, 500>trübt, erwiederte der lustige Rath, daß es jeßt im Lande so verwirrt hergeht. Wie so? fragte der König weiter. Lies nur die schöne Vorstellung, fuhr der Hofnarr fort, indem er die Bittschrift des Müllers vorlegte. Der König, der sich damit nicht beschäftigen wollte, gab sie einem Minister, und verlangte, daß er sie gelegentlich durchlesen sollte. Ehe dieses aber geschehen konnte, nahm sie ihm der Rarr schnell aus den Händen, und sagte: „Lieber König, wenn Du solche Sachen nicht selbst ansehen und sie Deinen Perrückenstöcken übergeben willst, so wird dem armen Manne gewiß nun und nimmermehr geholfen werden. Ich will Dir aber die Mühe dieses durchzulefen ersparen. Hierauf erzählte er ihm den ganzen Vorfall zur großen Erbauung des anwesenden und angeklagten Ministers, den der König mit Unwillen ansahe, und der mit vieler Demühtigung, indem er betheuerte, daß ihm diese Umstände nie so bekannt geworden wären, versprach, daß dem Müller schleunigst geholfen werden sollte, welches denn auch zu dessen größter Freude bald darauf geschehen.

Der schon oben erwähnte Putzmann soll Friedrich dem Ersten manche Wahrheit gesagt und deshalb auch ein Prediger desselben genannt worden seyn. -- Daß auch die Geistlichen in damaliger Zeit, wie schon oben erwähnt worden, sich kräftig gegen alle Mißbräuche äußerten und Wahrheiten von der Kanzel verkündigten, ohne auf die Personen Rücksicht zu nehmen, ist schon oben unter Pfeil-IconSouveränität, Pfeil-IconS. 89 u. f., gezeigt worden. Hier noch ein Beispiel. Als die Frau von Kosel, Maitresse Friedrich August' s, Königs von Polen, mit einer fast unumschränkten Herrschaft während der Abwesenheit des Königs in Dresden regirte, und sich Alles, bis auf den Prinzen von Fürstenberg und den Feldmarschall Grafen von Flemmig, vor ihr beugte, wagte es ein Lutherischer Prediger von der Kanzel herab gegen sie aufzutreten, sie mit der Bethsabe zu vergleichen, und <156, 501> damit Niemand sich in der Person irren konnte, so bezeichnete er sie mit so grellen Farben, als es nur der geschickteste Maler hätte thun können. Sie erfuhr es und gerieth darüber in den heftigsten Zorn; sie beklagte sich bitter und verlangte, daß der Geistliche strenge wegen dieser Unbesonnenheit bestraft werden sollte. Der König aber, der stets gegen alle Gewalthätigkeiten gewesen, und der im Geheimen die Vergleichung des Geistlichen nicht unpassend fand, versagte ihr aber diese Genugthuung, indem er sie damit beruhigte: daß die Prediger alle Sonntage und an den Festtagen eine Stunde hätten, in welcher sie das Recht hätten Alles zu sagen, und daß man ihnen dieses erlauben müßte; wenn aber Einer unter ihnen sich erdreisten würde, sie außer der Kanzel durch Schmähreden zu beleidigen, oder ihr die schuldige Achtung zu versagen, sollte er, wenn er es verdiente, bestraft werden. *

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La Saxe galante, pag. 297.

Diejenigen, die sich für die Hofnarren erklärten oder wenigstens damals deren Beibehaltung wünschten, hatten nur die gute Seite dieser Sitte im Auge, wo ihr Nutzen, den sie dem Lande von der einen Seite durch ihre freimüthigen Aeußerungen über manche Mängel und Gebrechen des Staats stifteten, wirklich nicht unbedeutend war, und manches versteckte Uebel durch sie an den Tag kam; allein von der andern Seite konnten sie wohl dasjenige nicht billigen, was von ihnen verübt wurde; denn im Ganzen liefen diese Belustigungen immer auf die abgeschmacktesten und schmutzigsten Zoten hinaus, besonders in dem 16ten und 17ten Jahrhunderte, und waren mehrere Male mit den unerhörten Grausamkeiten verknüpft, indem man sich gegen diese Lustigmacher eine Behandlung erlaubte, welche sie am Ende wahnsinnig machte oder in Krüppel verwandelte, ja sie manchmal des Lebens beraubte. -- Dieses waren auch die Hauptgründe, welche die Gegner wider die <156, 502> Haltung der Hofnarren anführten. Man muß es daher unsern, wenn gleich noch nicht verbesserten, aber doch verfeinerten Sitten Dank wissen, daß dieses Hofamt aufgehoben worden. Die Franzosen thaten es zuerst; denn unter Ludwig dem Vierzehnten hörte dieses Hofamt mit dem bekannten Angely auf, und in Preußen mit dem Antritte der Regierung Friedrichs des Großen, und so im Verhältniß der Regierungswechsel in den übrigen Staaten, sowohl in Deutschland, als auch in den übrigen Europäischen Landen. An einigen Höfen Deutschlands haben sie sich jedoch noch bis zum letzten Drittel des 18ten Jahrhunderts, bis zum Ausbruche der Französischen Revolution, erhalten, welcher Brand damals Alles in Schrecken setzte, Schrecken verbreitete, und diese Belustigung ganz vergessen machte. Man fand sie zwar nicht mehr in dem Staatskalender unter der Hofdienerschaft namentlich aufgeführt, indessen hatte man doch noch an dem einem Hofe einen Mönch, an dem andern einen Tyroler, die diesen Dienst versahen. Uebrigens ist es merkwürdig, daß die lustigen Räthe oder Hofnarren an dem Preußischen Hofe, besonders unter Friedrich Wilhelm dem Ersten, größtentheils aus dem Gelehrtenstande waren, so finden wir als solche: den Johann Paul von Gundling, der schon oben angeführt worden; den Doktor Bertholdy von Frankfurt an der Oder, der in diesem Orte Professor der Pandekten gewesen; einen gewissen Kornemann, auch von Kornemann, und Kron=Kornemann genannt, aus Halberstadt; den Professor Hakemann aus Helmstädt, wie auch zu Halle den Herausgeber des Reinicke Fuchses; den Feiherrn v. Stein, Präsidenten der Königl. Societät der Wissenschaften, dessen merkwürdiges Patent in von Loens kleinen Schriften gelesen werden kann; einen gewissen Morgenstern, Verfasser eines kleinen Russischen Staatsrechts, und einer sehr merkwürdigen Deutschen Dispu<156, 503>tation von der Narrheit und von den Narren, die er im Jahre 1737 zu Frankfurt an der Oder in Gegenwart des Königs im großen Auditorium vertheidigte, wobei alle Professoren opponiren mußten, und dann den schon oben erwähnten David Faßmann, Verfasser der Gespräche im Reiche der Todten, und Biograph seines Königs etc. -- Am weitesten hat man es mit den Hofnarren in Rußland getrieben, wo die Kaiserin Anna, um die außerordentlichen Verdienste unter ihren Hofnarren zu belohnen, einen Narrenorden, von St. Benedetto genannt, stiftete, womit sie den La Costa, einen Portugisischen Juden, welcher schon Peter den Großen belustiget hatte, und von demselben zum Könige der Samogeden war erklärt worden, und den Pedrillo, einen Italienischen Musikus bekleidete. Es war das Kreuz des heiligen Alexanders ganz im Kleinen, welches sie an einem rothen Bande im Knopfloche trugen. Peter der Große war ein solcher Freund von Hosnarren, daß er zuweilen wohl zwölfe hatte; und die schon oben erwähnte Kaiserin hatte deren sechs, worunter sich Leute von Geburt und Stande befanden. So wurde z. B. der Fürst Gallizin der Dritte von der Kaiserin Anna zur Strafe zum Hofnarren erklärt, weil er auf einer Reise in fremde Länder die katholische Religion angenommen hatte. Er mußte, ungeachtet er beinahe 40 Jahre alt war, und einen Sohn als Lieutenant bei der Armee stehen hatte, Hofpagen=Livree tragen; er war es, der bei seiner zweiten Verheirathung Gelegenheit zu dem seltsamsten und prächtigsten Feste, welches in Europa gesehen worden, gab, welches unter dem Namen des Eisfestes bekannt ist. Wolchonsky war ein Schwager des Grafen Bestucheffs, nachmaligen Oberkanzlers; er bekam die Aufsicht über die Windhunde der gedachten Kaiserin. Apraxin und Balakrew waren die Namen der zwei Letztern dieser Kaiserin. <156, 504> Es gab nun noch einen Narrenorden oder eine Narrengesellschaft, die ein gewisser Graf von Cleve errichtete, und von welcher im ersten Drittel des 17ten Jahrhunderts in Frankreich Könige und Fürsten Mitglieder waren; s. Th. 101, Pfeil-IconS. 273, an welchem Orte zugleich die sogenannte Babinische Republik erwähnt worden, die in Polen im Jahre 1568 gestiftet wurde, und die einen ähnlichen Zweck hatte, jedoch mit dem Unterschiede, daß in derselben der Spaß, der Scherz, nur zur Verbesserung eingerissener Mißbräuche diente, und worauf die Inschrift: Man belacht und verbessert die Sitten, welche in Lateinischer Sprache an dem unter Friedrich dem Großen erbaueten sogenannten Französischen Schauspielhause auf dem Gensd' armes=Markt in Berlin stand, sehr gut paßt. Der Stifter dieser Narrengesellschaft war Psomka, Herr von Babina, dessen verfallenes Landgut, wegen seines alterthümlichen, närrischen Ansehens und seines lächerlichen Namens, *

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Baba bedeutet ein altes Weib, und Babina das, was einem alten Weibe zugehört, oder von ihm herstammt.

den Vorübergehenden nicht selten Gelegenheit zu Spöttereien und komischen Einfällen gab, und daher die Veranlassung zur Stiftung dieser Gesellschaft ward. Um nun der Gesellschaft ein gewisses Ansehen zu geben, und dadurch einen Ruf zu verschaffen, gab man derselben die Staatsverfassung von Polen, erwählte einen König, einen Reichsrath, Erzbischöfe, Bischöfe, Woiwoden, Kastellane, Kanzler und andere Beamte mehr. Man konnte zu der Würde eines Mitgliedes von dieser Republik nur durch etwas Sonderbares, sowohl im Benehmen, in der Gestalt, im Reden etc. gelangen, besonders aber, wenn Einer etwas sagte, das wider den Wohlstand, die Gewohnheit, oder die Wahrheit lief, oder sich mit einer Sache groß that, <156, 505> prahlte etc. Wer zum Mitgliede dieser lustigen Gesellschaft erwählt wurde, dem wurde ein Patent unter dem großen Siegel ausgefertiget, und mit großer Feierlichkeit übergeben. Der Erwählte nahm es dann ehrerbietig und stehend an. Wünschte man irgend ein brauchbares und tüchtiges Mitglied dem Orden einzuverleiben, und dasselbe weigerte sich beizutreten, so wurde es überall ausgezischt, verspottet, und damit so lange verfolgt, bis es sich, um Ruhe zu haben, genöthiget sah, sich dem Willen der Gesellschaft zu unterwerfen. Man hatte es in dieser Gesellschaft in Beurtheilung der Menschen nach ihren Leidenschaften und Schwächen so weit gebracht, daß schwerlich ein Psychologe und Physiognom die Obersten dieser Gesellschaft darin übertroffen hat. Aus der Sitte des Menschen, seinen Gesichtszügen, Gebehrden und aus seinem Gange erkannte man sogleich seinen Charakter; man nahm daher nicht eher einen vorgeschlagenen Kandidaten auf, bis man ihn gehörig in seinen Handlungen, Reden etc. hatte beobachten können. -- Diese Narrenrepublik erhielt einen solchen Ruf, daß man selten unter den angesehensten Staatsämtern, Staatswürden, einen Mann fand, der nicht auch ein Amt in dieser Republik bekleidete, ja man fand darunter Mitglieder aus allen Ständen. Als der König Sigismund August der Zweite von dieser Republik in seinem Lande hörte, ließ er den Urheber dieser Republik, den Psomka, zu sich kommen, und fragte ihn: ob sie auch einen König hätte. Dieser, der stets lustig und bei guter Laune war, antwortete: „Fern sey es von uns, Allerdurchlauchtigster König, daß wir, so lange Sie leben, einen andern König wählen sollten: Sie sind hier und bei uns König.” Der König nahm diese Antwort sehr gnädig auf, und gewährte dieser Republik seinen besondern Schutz. Um nun hier nicht weitläuftig zu werden, und unter Spaßmacher einen Artikel zu <156, 506> ziehen, der unter Pfeil-IconNarrengesellschaft oder Pfeil-IconNarrenorden gehört, so mag hier noch Folgendes von jener Republik stehen, welches sich auf das oben angeführte Motto bezieht, und beweiset, wie der Spaß oder Scherz auf eine vernünftige Weise angewendet, und wenn er in den Schranken des Anstandes bleibt, oft eine Wohlthat Vieler werden kann. Wenn z. B. Einer dem Andern in dieser Republik grob begegnete oder ihn zu seinem Schaden belog, so hielt man ihn für unfähig ein Amt in diesem Staate zu bekleiden; wer aber den Andern auf eine scherzhafte und lustige Weise aufzog, und allerhand Späße erdachte, die Niemanden beleidigten, den hielten sie für würdig, unter ihre Mitglieder aufgenommen zu werden. Ihren Versammlungsort nannten sie Gelda, welches Wort in Danzig ein Wirthshaus, in Polen aber ein verwirrtes Geschrei des Pöbels bedeutet. Da nun in dieser Gesellschaft jedes Laster und jede Schwachheit lächerlich gemacht wurden, so wurde Babina in kurzer Zeit der Schrecken, die Bewunderung und der Zuchtmeister der Polnischen Nation. Unter ihrem Schutz herrschte das gute Genie; der Witz wurde in diesem nordischen Klima verbessert; die Mißbräuche, die sich in die bürgerlichen Gesellschaften eingeschlichen hatten, wurden durch eine gut angebrachte Satyre abgeschafft; die Mitglieder bekümmerten sich nur um Dinge, von denen sie vorher viel gesprochen, aber wenig verstanden hatten; Einer lernte von dem Andern, indem sie einander ihre Einsichten mittheilten, und sie zum Gegenstande ihrer gesellschaftlichen Unterhaltung machten; denn es befanden sich unter ihnen die klügsten Köpfe der Nation, die bei dem Adel und selbst beim Könige im größten Ansehen standen. -- Wenn daher der Spaß oder Scherz immer in gewissen Grenzen bleibt, so ist er nicht nur belustigend und vergnügend, sondern er wirkt auch wohlthätig auf manches <156, 507> Individuum und auf die Gesellschaft, wenn man aber dabei nur die Absicht hat Jemanden aufzuziehen, oder ihm wehe zu thun, zu kränken, im Publikum herabzusetzen, sein bürgerliches Seyn zu vernichten, ihn gleichsam moralisch zu tödten, und nie aus dem Schach zu lassen, da wirkt er gerade entgegen, erbittert, und hat einen eben so nachtheiligen Einfluß auf die Gesellschaft, als er von der andern Seite wohlthätig wirkt, und die Sitten verbessert.

Was nun das Loos der Hofnarren, lustigen Räthe oder Spaßmacher in ihrem Alter anbetraf, so war es oft glänzend, oft aber auch sehr dürftig, und besonders dasjenige ihrer Familie, worauf nicht immer von Seiten derjenigen Rücksicht genommen wurde, die sie in ihren Blüthentagen mit ihren Späßen belustigten; mehr denn zu oft folgte ihnen der Undank, und bittere Armuth ließ sie und die Ihrigen nur an die Tage erinnern, in welchen sie mit ihrer Laune und ihrem Witze glänzten, Frohsinn verbreiteten, und so manchem Verfolgten dienten, so manche Ungerechtigkeit rügten, so manche Winke zum Heile und zur Wohlfahrt des Staates gaben, die, benutzte, reiche Früchte, reichen Segen trugen; deren Quelle, woraus sie flossen, Wenige kannten, Wenige haben kennen lernen, weil sie die Höflinge absichtlich verschwiegen. Es fällt mir hierbei des Chalifen Harun al Raschid' s lustiger Rath oder Hofnarr Bahaloul ein, der antwortete, als ihn der Chalif einst an einen Pfeiler in dem Zimmer seines Pallastes in Bagdad gelehnt, im Nachdenken versunken antraf, und ihn um die Ursache seines Trübsinnes fragte: Ich denke eben darüber nach, wo das Phlegma und die Schale bleibt, wenn der Aether der Geisteskraft in Deinem Dienste verbraucht worden! -- Viele Hofnarren haben sich freilich durch Uebertreibung ihrer Gewalt, die ihnen von den Fürsten, welchen sie dien<156, 508>ten, eingeräumt worden, geschadet, und sind in Ungnade gefallen; Viele haben auch die Periode ihres Wirkens nicht benutzt, und es nicht so gemacht, wie der schon oben erwähnte Pedrillo bei der Kaiserin Anna von Rußland, der sich mit seinen Schwänken ein Vermögen von mehr als 20,000 Rubel erworben, mit welchem er so klug war, aus dem Lande zu gehen. Mehrere verschwendeten auf eine nicht zu entschuldigende Weise ihr Einkommen, und so gerieth dann ihre Familie in Dürftigkeit. So scheint es der Wittwe des oben angeführten Gundlings ergangen zu seyn, welche noch im Jahre 1740 als Wittwe zu Berlin krank und in dürftigen Umständen war, und eine Pension von 100 Thlrn. genoß, die ihr vom Könige Friedrich dem Ersten beim Absterben ihres Vaters, des berühmten Gelehrten und Verfassers der bekannten Geschichte von England, Larray, gegeben wurden; dann bekam sie noch 80 Thaler vom Könige Friedrich Wilhelm I., welche ihr aber, wie sie in einer Vorstellung *

*
Diese Vorstellung lautet:
      Sire!
Anne de Larray, fille de feu de Larray, Conseiller de Cour et d' Ambassade de Vôtre Majesté, et Veuve de feu le Conseiller privé de Gundling aussi au Service de Vôtre Majesté, décédé l' un et l' autre sans laisser la moindre chose à la Suppliante, la quelle jouit d' une pension de cent Risdal; que sa Majesté d' heureuse mémoire Fréderic premier l' a honnoré depuis le decés de son dit Père de Larray quelques années après. Sa Majesté Fréderic Guillaume d' heureuse mémoire a honoré la Suppliante de quatre vingt: d' aug mentation; mais comme il a plut à Sa Majesté de retrancher les quatre vingt Rîsdal depuis sept années, et que la Suppliante et avancé à un age avancé, et malade depuis quelques années, n' ayant pas suffisamment de se faire servir par une servante, ni a se donner le soulagement nécessaire. -- La Suppliante avec une confiance entière à Vôtre Majesté la supplie très humblement de lui accorder la Grace d' avoir égard à son àge et à son infirmité. La quelle fait des voeux con- tinuelle pour la prosperité de Vôtre Majesté, la quelle etaut avec une entière soumission
Sire, de Vôtre Majesté
  la très humble et très obeissante et fidelle Sujette Berlin, le 9me Juin 1740.
Anne de Gundling.
née de Larray.  

vom 9ten Junius 1740 klagt, seit sie<156, 509>ben Jahren zurückbehalten worden wären, wodurch sie in ihrem herangerückten Alter in eine üble Lage und sogar in die Verlegenheit gerathen sey, sich nicht einmal eine Magd halten zu können. Friedrich der Große hat auf diese Vorstellung nichts verfügt; sie wurde zurückgelegt. Wahrscheinlich kannte der Monarch, daß Beide mit dem, was sie durch die Gnade seines Vaters erhalten, übel gewirthschaftet hatten, und vielleicht war die Bittende keine gute Haushälterin gewesen; denn Gundlings Einkünfte waren sehr bedeutend; denn außer seinem in damaliger Zeit nicht unbedeutendem Gehalte von ein Paar tausend Thalern, bei Hofe freier Tafel, und so viel Wein und andern geistigen Getränken, worunter auch das Bier gerechnet wurde, als er nur trinken wollte, hatte er auch noch viele Neben=Einkünfte, worunter auch die Geschenke gehören, die er von auswärtigen Monarchen und Fürsten erhielt. Dieses Alles machte seine Lage so, daß sich in derselben wohl etwas erübrigen ließ, besonders da er keine Kinder hatte, also zwei Personen nach ihrem Stande von diesen Einkünften gemächlich leben, und sich auch das Alter sichern konnten; dies kannte Friedrich der Große, und darum ließ er es bei der Pension, welche die Wittwe von seinem Großvater, dem Könige Friedrich dem Ersten, bezog, bewenden. Viele, und wohl die Meisten, hatten daher an ihrem Elende, welches sie nachher betraf, selbst Schuld, weil sie in dem Taumel der Lust sich selbst und die Ihrigen vergaßen. Der oben erwähnte Faßmann, der Gundlingen so hart mitgenommen, und sich zu Al<156, 510>lem hatte gebrauchen lassen, um diesen Mann zu ängstigen und zu quälen, und der auch nach dem Tode desselben seine Stelle als lustiger Rath einnahm, verließ bald den Hof Friedrich Wilhelms des Ersten. Er entfernte sich heimlich aus Berlin und begab sich nach Sachsen, wo er bald darauf das Leben und die Thaten des genannten Monarchen schrieb, und das Werk zu Hamburg und Breslau im Jahre 1735 in zwei Theilen herausgab. Da nun in diesem Werke viele Specialia und Anekdoten von dem Privatleben Friedrich Wilhelms, von dessen allgemeinem und besonderem Betragen, eingestreut waren, außerdem auch noch von einigen angesehenen Männern im Dienste dieses Monarchen so Manches mitgetheilt wurde, welchen dieses nicht angenehm war, so wurde dieses Werk nicht gut aufgenommen, und in den Preußischen Staaten scharf verboten. Es erschien auch bald darauf gegen Faßmann eine Schrift, unter folgendem Titel: Der im Weinfaß begrabene Paul Gundling, Geheimer Staats=, Kriegs= und Domainenrath, raisonniret mit David Faßmann, Ertz=Calumnianten, den Galgen längst meritirten Ehren=Dieb; wie er denn an seiner Lästerzunge allhier in Effigie hanget, und in Corpore bald wird gehangen werden. St. Johannis, VIII. v. 44.

Nach Christi Urtheil selbst, der David Faßmann ist
ein rechtes Teufels=Kind. Der Vater aller Lügen,
schleppt ihn zur Höllen=Glut in letzten Todes=Zügen,
wenn dieß besoffne Schwein verrecket auf dem Mist.

Gedruckt zu Freyburg.

Das Titelkupfer stellt den Faßmann hängend und mit der Zunge an einen Galgen angenagelt vor. Am Halse hängt ein Branntweinfläschchen, und in einer Hand, die er auf den Rücken gelegt hat, hält er einen <156, 511> Bierkrug und eine Tabakspfeife. Oben sitzt ein Rabe, der Lust von ihm zu genießen bezeigt, und daneben stehen die Worte: der Hofnarr. Zur Seite des Galgens sieht man ein auf einen Pfahl aufgestelltes Rad, auf welchem das Herz und die Eingeweide des unglücklichen Deliquenten liegen, und von Raben verzehrt werden. Unten lieset man folgende schlechte Verse.

Der David Faßmann hangt an seiner Läster -- Zungen
Am Galgen hanget er, weil er ein Ehren=Dieb,
Es giebt ihm ein Laquais im Schedel einen Hieb,
Die Raben auf dem Rad verzehren Herz u. Lungen.

Nach diesem Verse steht die Vorrede des Werkes, welche, wie das ganze Werkchen, in dem Tone des vorher Angeführten abgefaßt worden. In derselben wird Faßmann als vom Hofe fortgepeitscht, als ein unwürdiger Nachfolger Gundlings aufgeführt. Hier nur eine kleine Stelle aus der Vorrede dieser Schrift, die beweiset, welche Wirkungen dergleichen Späße und Spaßmacher hervorbringen, und wie man gern geneigt ist, seine Späße oft auf eine ungeziemende und fühlbare oder beleidigende Weise anzubringen; allein die Rückwirkungen, die Gegenausfälle verträg man nicht gern: „David Faßmann, der gewesene und fortgepeitschte Konigliche Preußische Hofnarr, unwürdiger Successor des Gundlings übel berüchtigter Schreiber der närrischen und phantastischen Todten=Gespräche, hat eine Lebensbeschreibung seiner Königl. Majestät von Preußen Anno. 1735 in Octavo drucken lassen, darin er nicht allein höchstgedachten Gesalbten des Herrn, Wie Simai den David durch spöttische Schmeicheleien schändet, lästert; verspottet! sondern auch viele ehrliche Leute, denen er nicht werth ist die Schuhriemen aufzulösen, häßlich, lügenhaftig, unchristlich, als ein Erz=, Spitz=, und Lotter=Bube, den man wie einen rasenden Hund zu Tode peit<156, 512>schen sollte, mörderlich durchgezogen.” -- Wahrscheinlich hat man dem Faßmann sehr übel bei Hofe mitgespielt, und er suchte sich durch das von ihm herausgegebene Werk zu rächen, freilich eine unedele Rache; allein sie beweiset nur, daß die Hofleute und alle diejenigen, die sich Scherze gegen ihn erlauben konnten und erlaubt haben, zu weit gegangen sind, und dadurch selbst dem Ansehen und der Würde des Monarchen geschadet haben; denn jeder glaubt sich dann berechtiget, einen solchen Mann als ein Wischtuch, eine Kratzbürste zu gebrauchen, vergißt aber darüber, daß dieses Mannes Amt nur ist, den Monarchen und dessen Umgebung zu belustigen, ihm bei Tafel, in seinen Erholungsstunden eine angenehme Stunde zu bereiten, nicht aber, daß er eine Zielscheibe eines Jeden seyn soll, nach welcher ein Jeder seine Bolzen, ein so schlechter Schütze er auch ist, abschießen kann, oder wohl gar seine Untergebene, Knaben, und Alles gebraucht, um einen solchen Mann zu necken etc.

Wo Faßmann ein Ende genommen, finde ich nirgends angeführt; so viel ist aber gewiß, daß der Monarch sein Ansuchen bewilligte, um die Stelle Gundlings zu besetzen oder einzunehmen. Aus folgendem Gesuche Faßmanns, nachdem ihm der Monarch die Stelle Gundlings verliehen, an den König, wird man das Nähere ersehen.

Allerunterthänigste Vorstellungen und Bitten, welche Ew. Königl. Majestät statt finden zu lassen allergnädigst geruhen wollen, daferne es Ihnen etwa gefallen möchte, von Johannis dieses 1731sten Jahres an, meine Bedienung und Besoldung zu reguliren.

1) Bitte ich allerunterthänigst, mir eine solche Besoldung allergnädigst zu accordiren, daß weder in meiner Haushaltung in Berlin, noch mir insbesondere etwas gebrechen möge, sondern, daß ich allemal von Sorgen, Chagrin und Kummer frei seyn, <156, 513> dagegen aber stets ein freudiges, munteres und aufgewecktes Gemüth haben könne. Anderer Gestalt werde ich wahrlich! bei der höchsten Person Ew. Königl. Majestät nichts taugen.

2) Wollen Ew. Königl. Majestät hierbei in allergnädigste Erwägung zu ziehen geruhen, daß ich ein Mann bin, der von geraumer Zeit her alle Jahre tausend Thaler verdient hat, die nunmehro wegfallen, weil ich meine bisherige Arbeit nicht continuiren kann, und mein Verleger in Leipzig gar nicht zufrieden seyn würde, wenn ich sie durch einen andern besorgen lassen wollte.

3) Bitte ich allerunterthänigst, mir zwar solche Titel beizulegen, die Sie allerhöchst selber vor convenable erachten, mich aber doch mit etlichen zu verschonen. Auf die Präsidenten=Stelle bei der Societät derer Wissenschaften deprecire ich alleruntertänigst. Wollen Ew. Königl. Majestät dagegen befehlen, daß man mich zu einem Mitgliede dieser Societät aufnehmen solle, so können die 200 Rthlr., so Gnndling von der Societät gehabt, mit meiner Stelle darin dennoch verknüpffet bleiben.

4) Bitte ich allerunterthänigst um Sitz und Stimme bei Dero Rechnungskammer, desgleichen beim Kriminalgerichte, mit der Freiheit, in beiden zu erscheinen so oft ich kann, und meine Stimme zu geben, wenn ich reden will.

5) Bitte ich allerdemüthigst, daß über alles, was mir Ew. Königl. Majestät zulegen und accordiren wollen, die Königlichen Befehle, Versicherungen und Verordungen in gehöriger Form gratis ausgefertiget, und an gewöhnlichen Orten notificiret werden mögen.

6) Bitte ich allerdemüthigst um eine hinlängliche Instruktion, wie ich mich in meiner Bedienung eigentlich zu verhalten habe.

David Faßmann.

Der König bewilligte Faßmann seine Bitten um das ganze Gehalt, so Gundling, außer einer Zulage von 1000 Thlrn., die Dieser genoß, gehabt hatte, welches er eigenhändig aufsetzte, als:

<156, 514>

Aus der General=Domainen=Kasse 200 Rthlr.
Hof=Staatskasse 100
Halberstadt 200
Hohenstein 200
Als Präsident von der Societät 200
Auf zwei Pferde Futter

Man gewahrt hieraus, daß dieser Gehalt, wenn man auf die Zeit Rücksicht nimmt, schon sehr ansehnlich war, und Faßmann diesen Posten nicht würde verlassen haben, wenn man nicht die Grenzen des Scherzes und Spaßes mit ihm überschritten hätte, und er gleichsam genöthigt worden wäre, sein Heil in der Flucht zu suchen, wenn er gleich von der andern Seite, nach dem zu urtheilen, was er mit Gundlingen verübte, kein besonderes Subject gewesen seyn muß, da ihm dieser keine Veranlassung gegeben, sich an ihm zu reiben.

Außer den Hofnarren oder lustigen Räthen, Spaßmachern, in den höhern Sphären der Gesellschaft, hatten auch die niedern die ihrigen, die bei feierlichen Gelegenheiten, bei Aufzügen, Einholungen von Fürsten und Fürstinnen etc. gebrancht wurden. So hatten die Schützengesellschaften ihre Pritschenmeister; auch einige Gewerke, wie z. B. die Bäcker, Böttcher etc. hatten ihre Spaßmacher, Spaßmeister, auch Pritschenmeister oder Pritschmeister genannt, weil sie eine Pritsche, s. Pfeil-Icondiese, Theil 117, Pfeil-IconS. 427, führten, womit sie die Zuschauer auf den Rücken schlugen, wenn sie sich ihnen zu sehr näherten, oder den Kreis des Aufzuges beengten. Dergleichen Pritschenmeister zogen bei jedem Aufzuge in einer weißen, mit Bändern und einer Schärpe geschmückten Tracht en escarpin und mit einem Helme mit bunten Federn geziert auf dem Kopfe voran, und verübten allerhand lustige Streiche; auch machten sie verschiedene Kunststücke mit einem Tonnenreif etc. Dergleichen Pritschen=oder Pritschmeister findet man noch <156, 515> bei den Aufzügen mancher Gewerke in kleinen Städten, in den großen ist diese Mode abgekommen, so wie überhaupt in der neuern Zeit alle dergleichen Aufzüge, welche die Störung der öffentlichen Ruhe herbeiführen können, verboten worden sind. In Berlin sah man dergleichen Pritschmeister einmal wieder im Jahre 1823 bei der Einholung der Kronprinzessin Elisabeth von Preußen, geborne Prinzessin von Bayern. Diese Prischmeister vertraten bei den Aufzügen etc. die Stelle der Arlekine oder Pickelheringe in dem Lustspiele; s. Th. 113, Pfeil-IconS. 31. -- Was die Zwergnarren anbetrifft, so sehe man d. Art. Pfeil-IconMorio, Th. 94, Pfeil-IconS. 47 nach, wo auch auf den Artikel Pfeil-IconLeibesübungen, Th. 72, verwiesen worden, worin noch Manches über diese Klasse von Narren gesagt worden.

Spaßmeister, s. den vorhergehenden Pfeil-IconArtikel.

Spaßvogel Klassifizierung: 179.8 Laster, Fehler, MängelDDC-Icon , in der vertrauten Sprechart, eine spaßhafte Person, welche Fertigkeit im Spaßen besitzt, im Durchhecheln, Durchziehen anderer Leute ein Vergnügen findet, und dieses Vergnügen auch auf Andere überzutragen sucht. Ein Spaßvogel beschränkt sich nicht bloß auf die Späße, die oft gleich einem Springbrunnen seinem Munde entsprudeln, sondern er sucht sie auch in Handlungen auszudrücken; z. B. anonyme Briefe mit Schnurren an Bekannte zu schreiben, komische Anzeigen mancherlei Inhalts, sich auf bekannte Personen beziehend, in die öffentliche Blätter einrücken zu lassen; leichgläubige Personen zu überreden, daß sie dieses oder jenes thun müssen, womit sie Andre nachäffen, aber selbst lächerlich werden; denn nicht die komischen Gewohnheiten, die Jemand besitzt, machen ihn so lächerlich, als derjenige erscheint, der sie ihm nachmacht. Jener ist ein Gewohnheitsmensch, dieser ein Narr. Dergleichen Späße variiren nun ins Unendliche und sind genießbar, wenn das Komische keine verwundende Seite hat, und in den Grenzen des An<156, 516>standes, wie es unter Gebildeten seyn müßte, bleibt; tritt es aber aus diesen Grenzen, wird der Spaß flach, fade, ja gemein, so verliert er das Genießbare, belustiget nicht mehr, und wird auch beleidigend; es kann dann derjenige nicht verlieren, dem man ihn zufügt, den man damit aufzuziehen sucht, sondern nur derjenige, von dem er ausgeht, der Spaßvogel. -- Man hat auch das Zeitwort spaßvogeln von Spaßvogel gebildet, einen losen Scherz treiben, etwas muthwillig durchziehen, durchhecheln; es soll an Spott grenzen, und daher mehr seyn, als spaßen. Voß hat es bei Ueberseßung des Blakwells zum Zeitwort gemacht.

Auch eine Art Würger, Lanius jocosus, führt den Namen Spaßvogel, s. unter Pfeil-IconWürger, in W.

Spat, s. Pfeil-IconSpath.

Spät Klassifizierung: 430 Germanische Sprachen; DeutschDDC-Icon , Bei= und Nebenwort, welches dem frühe entgegen gesetzt ist, und nach Adelung nach der gewöhnlichen, nach der gehörigen, nach der bestimmten Zeit bedeutet, aber häufiger als ein Nebenwort, als in Gestalt eines Beiwortes gebraucht wird. -- Ueberhaupt nach der gewöhnlichen Zeit. Spät zu Bette gehen. Spät aufstehen. Spät speisen, es sey zu Mittage oder zu Abend. Spät klug werden. Ein später Verstand. Besser spät, als nie. Besser spät gefreit, als früh bereut. Nach der gehörigen, nach der schicklichen Zeit. Spät kommen. Er ist immer der Späteste. Ein später Wunsch. Dein Brief kommt zu spät. Es ist nun zu spät damit. Wir kommen um eine Stunde zu spät. Meine Uhr geht um eine Stunde zu spät, wenn sie nämlich zu langsam geht, und die Zeit um eine Stunde später anzeigt, als es die wahre Zeit erfordert. Dann auch nach einer ausdrücklich benannten oder bestimmten Zeit. Er kam später, als ich. Die spätesten Nachkommen nach uns. Wenn spät nach mir <156, 517> dich selbst der Himmel fordert. Raml., lange nach mir. -- 2) In engerer Bedeutung. (1) Von der Zeit des Tages, gegen das Ende des Tages. Es ist schonspät. Es wird spät. Spät in die Nacht aufbleiben. Die späte Abendsonne, in der dichterischen Schreibart, nach Adelung, die späte Nacht. (2) Von der Jahreszeit, gegen das Ende des Sommers. Spätes Obst, welches gegen das Ende des Sommers oder im Herbste reif wird. Spätes Getreide; so auch in den Zusammensetzungen Spätobst, Spätgerste, Späthafer etc. etc. Dieses Wort ist alt. Schon bei dem Kero, Ottfried etc. spat; bei den Schwäbischen Dichtern spad; bei den Ulphilas sped. Im südlichen Deutschland lautet dieses Wort spat, so wie man für früh daselbst fruh sagt, welche Form auch im Hochdeutschen nicht ungewöhnlich ist, daher auch in manchen der folgenden Zusammensetzungen spat nur allein üblich ist.

Spataforen, s. Pfeil-IconPeretten, Th. 108, Pfeil-IconS. 446.

Spätdamm, s. Pfeil-IconSpittdamm.

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